Was ist wirklich Liebe?

Die emotionale Liebe ist befleckt von Selbstsucht und Egozentrik. “Ich liebe jemanden, weil mir dieser Mensch viel Freude gibt.” “Ich liebe alles in der Welt, weil es mir Annehmlichkeiten vermittelt.” Da betrachten wir den Partner als persönlichen Besitz, “mein Mann”, “meine Frau” so wie wir die Gegenstände in unserem Haus besitzen. Diese Haltung macht abhängig, bringt Verhaftungen und Gebundenheit. Die meisten Beziehungen gehören zu dieser Kategorie.

Aber es gibt auch eine andere Form der Liebe, in der das Geben wichtiger wird. Wir erleben das zum Beispiel in der anfänglichen Phase einer Partnerschaft, in der beide sehr glücklich sind. Da ist ein Drang in beiden, dem Partner immer mehr zu geben. Es ist fast wie eine Konkurrenz, wer mehr geben kann. “Ich gebe dem anderen alles, damit er glücklich wird. Seine Freude ist meine Freude.” Das ist eine gereinigte Form der Liebe. Aber auch sie ist begrenzt. Wir sind bereit, alles aufzugeben für die Freude eines anderen Menschen, aber nur so lange dieser unsere Liebe erwidert. Wenn sich der Partner nicht nach unseren eigenen Vorstellungen verhält, dann versiegt diese Liebe und Freude sehr rasch. Außerdem beschränkt sich der Wunsch Gutes zu tun hier nur auf eine Person. Wenn wir diese Einstellung ganz natürlich zu allen Menschen haben könnten, dann würde kein Leid daraus entstehen können.

Die Beziehung zwischen Mutter und Kind wird als die reinste Form zwischenmenschlicher Beziehung bezeichnet. Diese Beziehung basiert auf einem Gefühl von Liebe und Freude, bei dem die Mutter sich selbst vollkommen aufgibt. Aber auch diese Liebe ist durch viele Faktoren beschränkt. Selbst die Mutterliebe ist mit Erwartungen verknüpft. Es gibt Mütter die sich in ihre Kinder vernarren und sie als ihr Eigentum betrachten. Wenn das Kind beginnt, eigene Wege zu gehen, fühlt sich die Mutter verletzt. Wenn man sich nur auf Grund einer Erwartung hingibt, dann ist das eben nur ein Handel. Jede Form zwischenmenschlicher Beziehungen hat diese Beschränkung. Wirklich vollkommene Liebe ist nicht möglich, so lange du abhängig bist. Du kannst große Erfüllung finden, aber nicht die Vollkommenheit.

Hinter diese Grenzen zu gehen, das ist Bhakti-Yoga. Es ist die Erfahrung unkonditionierter und unbeschränkter Liebe. Ein starkes Verlangen ist die Kraft, die Menschen zu dieser Liebe bringt. Diese Sehnsucht ist anfänglich sehr schmerzhaft und mit starker Empfindsamkeit verbunden. Es ist ein Schmerz, der nicht vergleichbar ist mit dem Schmerz der Enttäuschung. Es ist auch keine Emotion, es ist einfach ein ganz intensives Gefühl, das danach drängt, die Liebe zu finden. Es ist eine Sehnsucht, die sich bis zu ihrer absoluten Erfüllung verstärkt. Die Erfüllung ist ein inneres Fest. Das Individuum findet Erfüllung in vollkommener Liebe, die auf nichts gerichtet ist. Diese Liebe findet ihren Ausdruck in überfließender Dankbarkeit. Hier ist nichts konditioniert. Diese Liebe hat keinen Grund. Wenn jemand diese Liebe in sich findet, verstummt er innerlich. Er fällt in einen Zustand der Verwunderung, in dem er die Fähigkeit verliert, sich auszudrücken. Es entsteht das Gefühl der absoluten Ruhe und Stille. Es ist ein Zustand, in dem die Todesangst überwunden ist und das Gefühl der Unsterblichkeit sich einstellt. Das ist die Erfüllung des Bhakti-Yoga. Es ist die Erfahrung einer Liebe ohne jeglichen Grund, die überfließt in Liebe allem und allen gegenüber. Für einen sensiblen Menschen, der emotional veranlagt ist, ist das der einfachste Weg. Es geht darum, die Sensibilität zu nutzen und die Sehnsucht auf dieses Ziel hin zu lenken.

Ein kleines Kind hat nur eine Sprache, durch die es sein Unbehagen ausdrücken kann, es weint und schreit. Das ist der harmloseste Weg übermäßige Energie abzugeben. Aber mit dem Erwachsenwerden haben wir gelernt, das Weinen zu unterdrücken. So finden wir andere Ausdrucksformen für unser Unwohlsein und richten dadurch bei uns selbst und anderen Schaden an. Im Pfad der Hingabe, transformiert sich Leid in Sehnsucht. Sehnsucht ist das Schreien des Herzens. Der Mensch schreit in seinem Herzen wie ein Kind, wodurch er sich vom Leid befreit und erleichtert fühlt. Es entsteht ein Zustand innerer Sanftheit. Wenn du einmal täglich aus der Tiefe deines Herzens alle unterdrückten Gefühle herausweinen könntest, würde der Rest des Tages für dich sehr angenehm verlaufen. Das würde dich bescheiden machen. Wenn du weinst, wie ein Kind weint, dann wird die Mutter kommen und dich umarmen. Sie wird dich schützen. Wenn das Kind im Arm der Mutter liegt, dann vergisst es alles. Das Gleiche geschieht mit dir. Jemand der das kennt, braucht kein Wissen und keine Meditation. Es ist ein direkter Weg.

Verwandle Traurigkeit in Sehnsucht. Das Leid kann durch vollkommene Annahme in Sehnsucht transformiert werden. Dadurch wird es möglich, durch schwierige Situationen hindurchzugehen. Wenn du traurig bist, dann weine und ergib dich. So transformierst du Traurigkeit in inneren Frieden. Wenn wir gegen die Traurigkeit kämpfen, entstehen Frustration und Gefühlsausbrüche. Gib dich der Traurigkeit hin, dann führt sie dich wieder zur Zufriedenheit.

Die Gegenwehr, sich selbst zu verlieren, ist Angst, ein Drang, sich selbst zu verlieren, ist Sehnsucht. Jedes Verlangen, das du hast, ist diese Sehnsucht. Es ist das Verlangen, unsere Quelle zu berühren. Jedes Verlangen, auch das materielle, ist dadurch motiviert. Aber die Vorstellung sich willentlich und bewusst zu verlieren, löst Gegenwehr und Angst in uns aus. Wir möchten für immer glücklich und friedvoll sein, ohne uns selbst zu verlieren. Das kann niemals geschehen.

Ohne Liebe gibt es keinen Sinn im Leben. Nur mit ihr kann das Leben bedeutungsvoll werden. Das Glück und die Freude des Verliebtseins, das wir erlebten, konnte sich deshalb entfalten, weil das Ego vollkommen aufgab. Gib dich in Demut und Bescheidenheit und ohne jegliche Erwartung hin. So lange Erwartungen da sind, entsteht Leid. Das ist die Beschränktheit von persönlichen Beziehungen. Der Intellekt kann sich einen perfekten Menschen erdenken, aber ein solcher existiert nicht. Nur weil du nicht weißt, wie du die Liebe direkt erfahren kannst, brauchst du einen Partner. Alle Beziehungen zur äußeren Welt und zu anderen Menschen hast du nur deshalb, weil du nicht weißt, wie du Liebe in dir direkt erfahren kannst. Wenn jemand die Erfüllung findet und den Prozess der Sehnsucht und der Hingabe wirklich in sich zulässt, dann erlebt er den hingebungsvollen Zustand in allen seinen Beziehungen.

Wem oder wohin soll ich mich hingeben?

Viele Menschen denken bei dem Wort Hingabe, man müsse sich jemandem hingeben. Gib dich dir selbst hin. Es ist wichtig, dass du dieses Gefühl der Hingabe in dir hast. Gib deinen Intellekt dem eigenen Gefühl im Herzen hin. Solange du im Kopf lebst, hast du Probleme. Er hat dann die Führung, und beeinflusst das Gefühl. Das Gefühl, das mit vielen Gedankenprozessen belastet ist, schlägt wieder zurück. Es reflektiert sich wieder im Geist, und so entstehen Emotionen.

Wenn der Geist langsam ist, dann attackiert er das Gefühl nicht. Wenn du sehr entspannt bist, dann ist das Gefühl auch sehr sanft und freundlich. Bei einem sanften Gefühl sind auch die Emotionen sanft und freundlich. Wenn du anfängst, mit dem Gefühl zu leben, dann übernimmt das die Führung in deinem Leben. Dieses Gefühl ist vollkommen unabhängig, es nährt sich selbst und darin besteht auch seine Schönheit. Der Gedanke der Hingabe ist für das Ego sehr beängstigend. Deshalb ist vielleicht “Liebe” dafür das bessere Wort, aber gemeint ist das Gleiche, egal ob du Loslassen, Hingabe, Liebe oder Entspannung sagst.

Wenn du aus dem Zentrum des Herzens heraus lebst, dann integriert dies die Aktivitäten des Kopfes. Das Leben wird schön, und du kannst die Dinge akzeptieren. Dein Herz sagt: Komm, ruhe dich hier aus, ich kümmere mich um diese schwierige Situation. Es versucht dich ständig zurückzurufen. Immer, wenn du dich verletzt fühlst, dann sagt es: “Komm zurück”. Deine Arroganz erlaubt es dir nicht und sagt: “Nein. Ich will wieder kämpfen und gewinnen und etwas beweisen.” Du identifizierst dich mit dem Intellekt. Du wirst sehen, dass du unter der Herrschaft des Intellektes nicht die Erfüllung im Leben finden kannst. Stelle dich also dieser Herausforderung!

Wenn ich also Frieden und Glück in mir habe, brauche ich keinen Menschen? 

Ja, aber es würde dir auch nichts ausmachen, mit einem Partner zu leben. Du lebst dann friedlich mit dem Partner. Es gibt dann auch keinen Grund, ihn zu verlassen. Wenn du keinen Partner hast, wirst du aufhören, danach zu suchen. Wenn du einen Partner hast, wirst du weiter mit ihm zusammenleben. Das ist alles. Wenn dein Part­ner das nicht mag, und dich verlässt, dann spielt das keine Rolle für dich.

Ist Verliebtheit und persönliche Liebe eine Täuschung?

Liebe zu einer anderen Person reflektiert die Liebe, die in dir ist. In dem Sinne ist sie keine Täuschung. Liebe zu sich selbst ist keine Illusion. Dass ich Liebe von einem anderen Menschen bekomme, das ist Illusion.

Warum bin ich nicht in der Lage, allen unbegrenzte Liebe zu geben?

Du selbst beschränkst die Liebe. Wenn die Liebe nicht mehr auf bestimmte Menschen fokussiert ist, fließt es nach außen ohne jegliche Wahl. Du brauchst das nicht tun, das geschieht einfach. Wirkliche Liebe braucht keinen Ausdruck. Es ist gleich schön, ob du es ausdrückst oder nicht.

Ist Liebe ein Gefühl des Einsseins mit sich selbst? 

Der Zustand tiefer Zufriedenheit, also der Zustand tiefen Friedens, das ist auch ein Zustand tiefer Liebe.

Wenn ich weise bin, verliebe ich mich dann nicht mehr? 

Wenn du weise bist, dann bist du im Zustand der Liebe und hältst nicht mehr Ausschau nach äußerer Liebe. Warum solltest du dich nur in eine einzige Person verlieben? Kennst du das Gefühl, alle Menschen zu lieben? Es ist ein sehr intensives Gefühl ohne Emotionen. Du könntest alles umarmen, nicht nur eine Person. Wenn du dich verliebst, ist deine Liebe auf eine Person fokussiert. Du bist dann verbunden mit einem Menschen und deswegen ist da auch “Festhalten”. Wenn du in der Liebe bist, ist das Gefühl das gleiche, aber woran solltest du dich festhalten. Da ist kein Besitzanspruch und keine Verlustangst. Es ist die große Liebe. Es ist das gleiche Spektrum. Aber es ist nicht so verengt sondern im ausgedehnten Zustand.

Aus einem natürlichen Zustand der Zufriedenheit, fließt sie über. Du bist so davon erfüllt, dass du es nicht auf dich begrenzen kannst. Es ist ein Gefühl des Überfließens. Ohne Grund! Deshalb ist es vergleichbar mit einer Blume. Sie blüht für jeden. Sie macht keine Unterschiede. Sie gibt ihren Geruch allen ohne Einschränkung und Intention. Deswegen wird sie von allen geliebt.

Aber es gibt doch den Wunsch, alles mit einem Menschen zu teilen, wie kann man damit umgehen? 

Du kannst doch mit jedem Menschen gute Dinge teilen. Warum brauchst du dazu eine ganz bestimmte Person? Da begrenzen wir uns.

Was ist der Grund dafür, dass ganz bestimmte Menschen Anziehungskraft aufeinander ausüben? 

Es ist eine Tendenz in dir, nach etwas Ausschau zu halten. Sie lässt dir Dinge und Menschen attraktiv erscheinen. Menschliche Beziehungen sind nichts anderes als alle anderen Attraktionen der Welt. Wenn ein Mensch für dich attraktiv ist, dann geschieht dies auf Grund dieser Tendenz. Es ist dann eine Unruhe in dir und eine Suche. Dann siehst du jemanden, schaust in seine Augen und dann verliebst du dich. Warum und wie es geschieht, ist schwierig zu erklären. Wenn du wissen willst, warum du dich gerade in einen bestimmten Menschen verliebt hast, dann musst du zum Astrologen gehen. Sie haben dafür Erklärungen. Wenn du lernst, dich alleine wohl zu fühlen und zufrieden zu sein, dann wird diese Suche aufhören. Du kannst die attraktivsten Menschen der Welt treffen. Deine Fähigkeit, Schönheit zu schätzen bleibt, aber der Wunsch ihnen näher zu kommen, wird schwächer.Das Gefühl für die Schönheit des Lebens geht nicht verloren. Du siehst Schönheit in allen Menschen.

Es ist der Wunsch nach Geborgenheit und die romantischen Vorstellungen, die die Suche nach einem Partner aufrecht erhält. Tatsache des Lebens ist aber, dass du immer allein bist.

Wie ist die Beziehung hier in unserer Gruppe? Woran fehlt es? Es ist doch perfekt. Jeder ist unabhängig und fühlt sich dabei gut. Da existiert eine Beziehung, die man nicht definieren kann. Wenn es hier jemandem schlecht geht, würde doch jeder helfen. Dennoch liegt keine sentimentale und emotionale Verhaftung vor.

Die Sehnsucht sollte dahin gehen, das Angenehme in dir selbst zu finden. Verliebe dich in dich selbst. Du liebst doch das gute Gefühl, wenn du mit jemandem zusammen bist. Lerne direkt dahin zu gehen, ohne ihn, ohne sie, ohne alles.

Was ist der Unterschied zwischen “einsam” und “allein”? 

Wenn du einsam bist, dann vermisst du etwas, einen Menschen oder irgend etwas. Wenn du allein bist, dann bist du einfach mit dir selbst und dabei zufrieden. Allein zu sein ist die Tatsache des Lebens. Einsamkeit ist eine Illusion.

Man kann ja wohl die Beziehungen dieser Gruppe nicht mit denen in einer Familie vergleichen! 

Der Irrtum beruht auch hier wieder auf der Annahme, dass unser Wohlbefinden von der Außenwelt abhängig ist. Ob du mit jemanden zusammenlebst oder nicht, das spielt keine Rolle. Es ist wichtig, wie du selbst innerlich bist. Jemand, der allein ist, hängt sein Leid daran auf, dass er allein ist und jemand, der mit anderen zusammen ist, der hängt sein Leid am Zusammensein fest. Glücklich wirst du nur, wenn du die Erfüllung in dir findest. So lange das für dich nicht wichtig ist, wie du dich fühlst, hast du Spiritualität nicht kennengelernt.

Ist Aggression fehlende Liebe? 

Wenn ein kleiner Junge etwas Falsches tut, indem er seine Aggressionen auslebt, dann sollte man sehen, wie er sich innerlich fühlt. Er ist unglücklich. Wenn du sehen könntest, wie es in ihm aussieht, würdest du nicht ärgerlich, sondern Mitgefühl haben. Ob das dann Früchte trägt, das liegt nicht an dir. Den Kindern nur zu sagen, dass sie etwas Falsches tun, ist nicht der richtige Weg. Sie hören ständig, was sie nicht tun sollen. Aber niemand erzählt ihnen, was zu tun ist. Eine gute Absicht und Mitgefühl hilft einem Menschen, Aggressionen zu überwinden.

Also entspricht dieses Verständnis dem Gebot “Liebe deinen Nächsten wie dich selbst”?

Die Nächstenliebe geschieht, wenn du dich selbst liebst. Liebe dich selbst, das ist genug. Das beinhaltet alles. Der Rest geschieht. Liebe ist wie Raum und sollte allem Platz geben, nicht nur den guten Dingen. Auch die schlechten Dinge haben da ihren Platz. Es gibt allem und jedem Platz, weil du friedlich bist. Der Ausdruck der Liebe ist nur ein kleiner Teil. Die Liebe selbst braucht keinen Ausdruck. Sie weiß, wie sie sich selbst ausdrückt. Unser Problem ist es, dass wir versuchen, alles zu intellektualisieren, selbst die große Liebe. Wir versuchen, die große Liebe mit unserem kleinen Intellekt zu verstehen.”

Die Antworten kann jeder selbst auf seiner Reise suchen und finden.

Schlussendlich liegt der Schlüssel im Herzen.